Evangelische Kreuz-Kirchengemeinde Bliesendorf
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Herzlich Willkommen auf der Homepage unserer Kirchengemeinde,
lassen Sie sich einladen und den Tag „durchkreuzen“ durch unsere Angebote und Hinweise.
Es wäre schön, wenn Sie erleben, dass noch eine andere Dimension unser Leben berührt - wie bei einem Kreuz.

Mit vielen Grüßen
Ihr Pfarrer Dr. Andreas Uecker (Bliesendorf)

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35 Jahre Wendeherbst

Was hat sich nach 35 Jahren an unserer Kirche geändert? Vor 35 Jahren wurde ich im August von Bischof Gottfried Forck in der Berliner Marienkirche ordiniert. Mit dem Bischof konnte ich allein zusammen in den Spiegel schauen. Wir benutzten sogar den selben Spiegel, morgens, vor der Andacht, auf der Ordinationsfreizeit. Ein von ihm persönlich geschriebener Brief, versehen mit einem 100 Mark Schein, begleitete mich in den Dienstbeginn am 1. August 1989.
Ich war meiner Landeskirche treu geblieben. Nicht nur gegenüber dem Staat. Auch, als mich nach dem Studium aus meiner Studienstadt Greifswald als Wehrdienst-Totalverweigerer ein eindrückliches Angebot erreichte. Wenn Sie bei uns Pfarrer werden, halten wir sie von der Armee fern. Wolfgang Schnur und Manfred Stolpe sicherten mir  in Berlin Unterstützung zu. Mehr konnten sie nicht. Mehr benötigte es nicht.
August 1989, neuer Pfarrer in der Uckermärkischen Kleinstadt Angermünde. Alle anderen erst einmal im Urlaub. Erstes Problem. Wie besorgt man die noch nicht vorliegende Einreisegenehmigung für einen Japanischen Organisten aus dem nichtsozialistischen Ausland für ein Konzert in knapp 10 Tagen? Meine holprigen Versuche führten zur ersten Vorladung innerhalb der ersten fünf Tage meines Dienstes. Der Stil war freundlich.
Dann kam mehr. Die Wende bahnte sich an – weniger vor Ort. Eher durch das Wissen und Erzählen meiner bisherigen Kontakte. Mitglieder des Vikariatslehrganges, Freunde und Bekannte aus der gemeinsamen Zeit in der Greifswalder Studentenzeit. Viele dieser Zeitgenossen waren beruflich in größeren Orten geblieben. Jung im Dienst in der Kirchengemeinde einer Kleinstadt in der DDR, war ich vor allem auf mich gestellt. Das war für mich das Besondere an meinem Jahrgang. Gegenüber den anderen KollegInnen im Pfarrkonvent war ich selbst – trotz allen Miteinanders in einer Zeugnis- und Dienstgemeinschaft - noch nicht vernetzt. Es fehlten die abendlichen Diskussionsrunden der Studentenzeit als eigene Orientierung. Und es galt, verantwortlich mit der eigenen Position und dem Miteinander in der Kirchengemeinde umzugehen.
Kirchliche Woche, Friedensmarsch durch die Innenstadt, Gottesdienst der Jungen Gemeinde und nun der erste selbstverantwortete Abend in unserem Gemeindehaus. „Vor Ort und nicht allein in Berlin“ etwas bewegen. Das war meine Vorstellung und nach Rücksprache auch der Wunsch aus unserer Kirchengemeinde. Doch wie? Allein das Stellen von Kerzen in die Fenster zum Gemeindeabend war einer Frau schon zu viel: „Wenn ihr das macht, kann ich nicht mehr kommen“. Das Wort von Paulus, gedenkt der Schwachen in der Gemeinde, war mir in diesem Moment präsent. Auch wenn es für viele und mich schwer war, es kamen erst einmal keine Kerzen in die Fenster.
Eine weitere Erinnerung. Abend mit Podiumsdiskussion in der mit 1200 Plätzen vollbesetzten Marienkirche. Im Podium Vertreter der bisherigen Machtstrukturen im Staat und der neuen Bürgerbewegungen, darunter Vertreter der Staatssicherheit auf Grund der Nähe zu Mielkes Jagdgebiet. Es wird die Nachricht nach vorne getragen, die Vertreter der Staatssicherheit würden eine Waffe bei sich tragen. Unruhe breitet sich aus, „Vor dem Altar…“. Ich staune noch heute, wie mir Besonnenheit und Durchsetzungskraft geschenkt wurden. „Du spielst mit dem Feuer“, sagte mir mein Superintendent. Da bin ich nach der Bibel nicht der Erste, dachte ich mir.
Nach 35 Jahren saß ich vor zwei Monaten in der Uckermark im Garten des Ferienhauses eines befreundeten Berliner Schriftstellers. In der Region erinnern sich noch viele gerne an unser Wirken vor 35 Jahren. „Ihr wart die Letzten,  die hier mit den Menschen gelebt haben. Es kamen zwar nach Euch noch einige, aber das hat niemand mehr gemacht“.
„Das gemeinsame miteinander Leben und Erleben“, das ist für mich in der Kirche verloren gegangen. „Sie sind wie Schafe, die keinen Herren haben“. „Kirchenkreis und Landeskirche sind als neue Gestaltungsebenen dazu gekommen“, hat mir mein Superintendent erklärt. Das spüre ich in kleinen Gemeinden. Zu viele Ebenen, alles viel zu vielschichtig für die schrumpfende Basis. Letztendlich fehlt dann doch die Aufmerksamkeit für die Dinge vor Ort. Aus „gemeinsam ekbo“ wird dann „einsam ekbo“. „Ihr habt keine Lobby“ erklärt er mir weiter. Dann ist das so. Würde ich Lobbyarbeit lieben, wäre ich woanders tätig. 35 Jahre sind an der Kirche nicht spurlos vorübergegangen. Mit den jungen demokratischen Pflanzen, die damals unter dem schützenden Dach wie unter der geborgenen Wärme eines Gewächshauses gewachsen sind, hat sehr viel kostbarer Nährboden an deren Wurzeln die Kirche verlassen. „Kirche von unten“ und weitere Bewegungen – das war einmal. Leider auch das eindeutige und klare Bekenntnis zum Frieden, das mir an unserer Kirche heute am meisten fehlt. Ja, so lange die Kirche kein Rückgrat zeigt, werden ihr so viele Menschen den Rücken zukehren.
Kirchenleitend sollte man sich eingestehen, dass dieser Prozess nicht allein finanziell noch weitere 35 Jahre durchzustehen ist.